
Die porträtierte Wissenschaftlerin arbeitet seit 10 Jahren an ihrem Institut. Mit der Geburt ihrer Tochter ging die Wissenschaftlerin für ein Jahr in Elternzeit. Kurz nachdem sie in ihre alte Position zurückgekehrt war, wurde ihr die Leitung einer Abteilung angeboten. Mittlerweile leitet sie die Abteilung seit eineinhalb Jahren und ihre Tochter ist drei Jahre alt.
Wissenschaftlerin: Als mir die Abteilungsleitung angeboten wurde, war ich gerade erst seit drei Wochen wieder aus der Elternzeit zurück. Ich hatte mich noch nicht wieder richtig eingelebt und war gerade dabei meine Tochter in der Kita einzugewöhnen. Trotzdem habe ich mich entschieden, die Position zu übernehmen. In den kommenden sieben Monaten gab es dann einen schleichenden Übergang. Ich habe in meiner alten Position gearbeitet wurde gleichzeitig in die künftigen Führungsaufgaben eingelernt. Als mein Vorgänger dann nach den sieben Monaten in Rente gegangen ist, habe ich die Leitung der Abteilung übernommen.
Wissenschaftlerin: Fachlich habe ich mir die Sache vollumfänglich zugetraut, da hatte ich keine Bedenken. Meine Bedenken waren eher, wie ich es schaffe mit einem reduzierten Stundenumfang und weniger Präsenzzeit der Position gerecht zu werden. Bevor ich zugesagt habe, sprach ich mit meinem Vorgänger. Er hat mich ermuntert und war überzeugt, dass ich die Richtige für die Stelle bin. Also habe ich mir gesagt: Das ist eine Herausforderung – diese nehme ich an – was kann denn schon schiefgehen.
Wissenschaftlerin: Ich habe zwei Jahre Elternzeit genommen. Das erste Jahr war ich komplett zu Hause. Wieder eingestiegen bin ich mit 26 Stunden und hatte zusätzlich einen Lehrauftrag an der Uni – so kam ich auf 29 bis 30 Stunden pro Woche. Als ich die Leitung übernahm, habe ich auf 30 Stunden aufgestockt. Im Laufe der Zeit habe ich meine Stundenzahl immer weiter erhöht. Inzwischen arbeite ich 37,5 Stunden in der Woche – das entspricht 96 Prozent. An zwei festen Tagen in der Woche arbeite ich im Homeoffice.
Wissenschaftlerin: Ich hatte mir vorgestellt mit 13 Stunden pro Woche aus der Elternzeit zurückzukehren. Als ich mir das ausgerechnet habe, musste ich feststellen, dass sich das finanziell gar nicht lohnt. Pläne habe ich eigentlich nicht gemacht. Für mich war klar, ich bleibe ein Jahr zuhause und um alles andere kümmere ich mich, wenn es soweit ist.
Über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe ich mir ehrlich gesagt gar keine Gedanken gemacht. Wahrscheinlich weil ich nie befürchtet habe, dass es ein Problem geben könnte. Ich bin Betriebsrätin und wusste, dass schon einige Kolleginnen vor mir in Elternzeit gegangen und danach auf ihre bisherige Position zurückgekehrt sind.
Wissenschaftlerin: Mein Mann ist Lehrer und es gibt fast keinen besseren Beruf als diesen, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Er kann am Nachmittag meistens von zuhause arbeiten und so war für ihn klar, dass er seine Arbeitszeit nicht reduziert. Natürlich muss er nachmittags auch Unterricht vorbereiten, aber da ist er zeitlich flexibel. Mein Mann kümmert sich um die Ausbildung der Referendare und hat deshalb nicht so viele fixe Termine. Er kann sich also auch mit einer Vollzeitstelle viel um unsere Tochter kümmern. Ich könnte nicht 7,5 Stunden täglich arbeiten, wenn mein Mann nicht so flexibel wäre und unsere Tochter nicht regelmäßig aus der Kita abholen würde. Wenn mein Mann einen 9-to-5-Job hätte, wäre es bedeutend schwieriger den Familienalltag zu organisieren.
Dass mein Mann seine Arbeitszeit nicht reduziert, war aber auch eine finanzielle Entscheidung: Der Ort an dem wir leben, ist teuer und man möchte seinen erarbeiteten Lebensstandard nicht aufgeben. Da bei meinem Mann als Beamtem einige Sozialabgaben wegfallen, verdient er einiges mehr als ich, weil netto mehr vom Brutto übrigbleibt.
Wissenschaftlerin: Mein Vorgesetzter hat total entspannt reagiert. Wahrscheinlich auch, weil es in der Gruppe bereits andere Eltern gab. Es war wie ein Wunschkonzert: Ich habe gesagt, ich möchte soundso viele Stunden arbeiten und er hat dem zugestimmt.
Das Kollegium hat sich gefreut, dass ich ein Baby bekomme. Das Angebot der Führungsposition hat, so kurz nach meiner Rückkehr, einige ein bisschen überrascht. Ich glaube, heute sind sie ganz zufrieden mit mir. Auffällig war, dass vor allem die Kolleginnen mir gratuliert haben. Ich denke, sie haben sich gefreut, dass es mehr Weiblichkeit in der Führungsriege gibt.
Wissenschaftlerin: Das Besondere ist, dass man rund um die Uhr Verantwortung trägt. Im Büro ist man für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich und zu Hause hat man Verantwortung für sein Kind. Man steht morgens um 6 Uhr auf und muss zuhause der Chef sein, weil das Kind in der Trotzphase ist und sich nicht anziehen will. Wenn man dann ins Büro kommt, ist man dort auch der Chef und jeder will etwas. In einer Leitungsfunktion hat man deutlich mehr Besprechungen und es bleibt weniger Zeit für die Arbeit, die sich auf dem Schreibtisch stapelt. An manchen Tagen fühle ich mich im Büro wie auf der Flucht und genieße deshalb meine Homeoffice-Tage ganz besonders. Trotz des Homeoffice bin ich immer erreichbar. Ich nutze dafür ein Tool, mit dem man mich auch zuhause über die normale Bürodurchwahl erreichen kann.
Wissenschaftlerin: Meine Tochter geht in einen Ganztageskindergarten. Die Großeltern wohnen etwas weiter entfernt und können nicht spontan einspringen, wenn mal was ist. Aber in den vergangenen zwei Jahren kam es auch nur zwei Mal vor, dass sowohl mein Mann als auch ich unaufschiebbare Termine hatten, als unsere Tochter krank war. Im Krankheitsfall kümmere ich mich um meine Tochter und arbeite so gut es geht von zu Hause. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich mal ein paar Tage nicht da bin.
Wissenschaftlerin: Ich arbeite an einem Institut mit einem hohen Anteil an Teilzeitkräften. Hier wurde es schon immer akzeptiert, dass manche Personen mehr und andere weniger oft am Institut sind. Ich kann meine Arbeitszeit so einrichten, wie das für mich am besten passt, solange ich so flexibel bin, dass ich an wichtigen Terminen trotzdem teilnehme. Eigentlich ist montags mein Homeoffice-Tag, aber alle zwei Monate findet montags eine verpflichtende Sitzung statt, da muss ich dann am Institut sein.
Unser Institutsleiter hat Verständnis für die Herausforderungen von Familien. Aktuell soll ein Eltern-Kind-Büro am Institut eingerichtet werden. Es ist nur noch nicht klar welcher Raum gewählt werden soll oder ob es eine mobile Lösung wird.
Bei mir am Institut gibt es auch eine neue Betriebsvereinbarung zur Telearbeit. Bislang war das Homeoffice nur für Personen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen möglich. Dies wurde nun geändert. An meinem Institut gibt es neben der fest vereinbarten Telearbeit auch noch fallweise häusliche Arbeit, wenn man mal einen Tag zu Hause bleiben muss, weil beispielsweise ein Handwerker kommt.
Wissenschaftlerin: Auf die Dinge, mit denen ich unzufrieden bin, hat mein Institut keinen Einfluss. Wie zum Beispiel, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Es ist eine Herausforderung allen gerecht zu werden. Man ist immer so hin und her gerissen zwischen Kind und Beruf. Aber ich sehe ja, dass es meiner Tochter gut geht. Insofern muss ich kein schlechtes Gewissen haben. Entspannter wäre es natürlich, wenn man für weniger Arbeit das gleiche Geld bekommen würde. Aber ich mache meinen Job sehr gerne und wäre unglücklich, wenn ich nur zu Hause wäre. Nach zehn Monaten Elternzeit fiel mir die Decke auf den Kopf. Trotzdem, wenn der finanzielle Druck nicht da wäre, würde ich mit nur 50 Prozent meiner Arbeitszeit entspannter leben. Wenn sich zuhause die Arbeit stapelt und das Kind beschäftigt werden möchte, dann sage ich mir: Hausarbeit kann warten. Ich genieße lieber die Zeit mit meiner Tochter.
Wissenschaftlerin: Für mich ist die größte Herausforderung das Pendeln. Ich brauche mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn es gut läuft, eineinhalb Stunden pro Weg. Das hat mich nun dazu bewogen, ein Auto anzuschaffen. Damit bin ich ein bisschen flexibler und kann auf dem Heimweg noch etwas einkaufen.
Eine andere Herausforderung sind die Kita-Öffnungszeiten. Durch meinen langen Fahrtweg ist es schwierig meine Tochter rechtzeitig abzuholen, wenn mein Partner das ausnahmsweise nicht tun kann. Meistens geht meine Tochter von 8 bis 16 Uhr in die Kita. Ich arbeite 7,5 Stunden am Tag und habe noch drei Stunden Fahrzeit.
Wissenschaftlerin: Sich keine Ratschläge anzuhören! Als Mutter ist es völlig egal, was man tut, irgendjemand findet es immer unangebracht. Man ist eine Rabenmutter, weil man arbeiten geht. Oder man vernachlässigt sich selbst, weil man nicht arbeiten geht. Egal was man tut, man macht es nie allen recht. Deshalb ist mein Ratschlag: Man sollte sein eigenes Ding durchziehen. Niemand anderes steckt in der eigenen Haut. Für mich passt jetzt dieses Modell und ich würde es auch nicht anders haben wollen.
Eltern zu sein ist ein Prozess, in den man hineinwachsen muss. Man kriegt ein Kind und mit einem Schlag ist die Welt eine ganz andere. Der Begriff Liebe wird völlig neu definiert. Es tauchen Gefühle auf, die vorher unbekannt waren. Man hat plötzlich Verantwortung und Sorgen rund um die Uhr. Da muss man flexibel sein und auf die innere Stimme hören.
Wissenschaftlerin: Bislang ist meine Forschungsorganisation eine große Behörde, bei der manches sehr langsam funktioniert. Ich habe schon von Kolleginnen und Kollegen gehört, dass es relativ aufwändig war, die Kinderkranktage in Anspruch zu nehmen. Das sollte vereinfacht werden, sodass man nicht monatelang auf die Erstattung warten muss. Denn das führt dazu, dass Eltern die Kinderkranktage, die ihnen zustehen, nicht in Anspruch nehmen.
Ich persönlich hätte mir mehr Unterstützung und Informationen zum Thema Mutterschutz und Elternzeit gewünscht. Hilfreich wäre eine Checkliste gewesen, anhand derer ich gewusst hätte, was mein Arbeitgeber von mir braucht und was die Krankenkasse von meinem Arbeitgeber braucht.
Wissenschaftlerin: Ich würde das Kinderzimmer mindestens zwei Monate vor der Geburt eingerichtet haben. Meine Tochter kam überraschend 6 Wochen zu früh zur Welt. Bis auf einen Kinderwagen und eine Babyschale hatten wir noch nichts. Kinder zu bekommen ist die einzige Unberechenbarkeit, die man im Leben noch hat. Sonst hat man für alles einen Plan. Aber Kinder zu bekommen, ist ein richtiges Abenteuer. Man weiß nicht, was auf einen zukommt.
Inspirator*innen
Individuelle Wege zur Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben
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