
Die porträtierte Wissenschaftlerin und der porträtierte Wissenschaftler arbeiten beide am selben Forschungsinstitut. Sie sind verheiratet und haben zwei Töchter. Diese sind im Kindergarten- bzw. Grundschulalter. Die Wissenschaftlerin ist seit sieben Jahren am Institut. Als sie begonnen hat für das Institut zu arbeiten, war ihre erste Tochter fünf Monate alt und wurde deshalb bis zum ersten Geburtstag vom Vater betreut. Der Wissenschaftler hat promoviert und arbeitet seit 2 Jahren am Institut.
Wissenschaftlerin: Bevor unser erstes Kind zur Welt kam, habe ich als Doktorandin an einer Universität gearbeitet. Die Änderung meiner persönlichen Zielsetzung hatte mehrere Gründe. Meine damalige Professorin hat einen Ruf in eine andere Stadt bekommen und mein Promotionsthema war nicht ganz das richtige für mich. Außerdem wollte ich schon immer möglichst früh Kinder bekommen und fand, dass ich eigentlich schon recht spät dran bin. Es war für mich genau der richtige Moment für ein Kind.
Nach der Geburt habe ich begonnen, mich neu zu orientieren. Als ich die Stellenausschreibung gelesen habe, wusste ich, dass diese Stelle ideal zu mir passt. Im Vorstellungsgespräch habe ich erst ganz am Ende gesagt, dass ich eigentlich noch in Elternzeit bin und eine fünf Monate alte Tochter habe. Natürlich stand bereits der Plan, dass mein Mann die weitere Betreuung unserer Tochter übernimmt.
Wissenschaftler: Zu diesem Zeitpunkt habe ich auch an der Universität gearbeitet. Geplant war ursprünglich, dass ich ab dem sechsten oder siebten Lebensmonat unserer Tochter in Elternzeit gehe. Aufgrund des Stellenangebots für meine Frau wollte ich kurzfristig schon ab dem fünften Monat Elternzeit nehmen. Ich habe meinem Professor die Situation erklärt und für ihn war das kein Problem. Es ging wirklich einfacher als gedacht. Das Projekt, an dem ich gearbeitet habe, wurde kostenneutral verlängert. Ich bin sechs Monate zu Hause geblieben und als unsere Tochter ein Jahr wurde, habe ich wieder Vollzeit gearbeitet.
Wissenschaftlerin: Ich habe zu Beginn meiner Beschäftigung vier Monate in Vollzeit gearbeitet und konnte dann nochmal drei Monate Elternzeit nehmen. Es war wirklich toll, dass mein Gruppenleiter so flexibel war. Anschließend habe ich wieder in Vollzeit gearbeitet.
Wissenschaftler: Bei unserer zweiten Tochter haben wir es etwas anders gestaltet. Meine Frau war 14 Monate zu Hause und ich zwei Mal je drei Monate. Zu dieser Zeit habe ich meine Dissertation beendet und dafür auch die Elternzeit genutzt. Während der ersten drei Monate war ich noch an der Universität angestellt. Direkt im Anschluss bin ich zu einem kleinen Consultingunternehmen gewechselt. Dort hatte ich später noch einmal drei Monate Elternzeit.
Wissenschaftlerin: Die Dissertation ist sozusagen unser drittes Kind (lacht). Nach den 14 Monaten Elternzeit habe ich ungefähr vier Monate lang zu 75 Prozent gearbeitet und anschließend wieder Vollzeit. Ich habe mit meinem Gruppenleiter besprochen, wie ich meinen Wiedereinstieg plane und wurde dabei voll unterstützt. Mit Flexibilität und gegenseitigem Entgegenkommen konnten wir bisher immer Lösungen finden, die sowohl für meine Arbeitsgruppe als auch für mich passten. Wenn zum Beispiel eines der Kinder krank ist und ich gleichzeitig etwas Wichtiges zu bearbeiten habe, erledige ich das auch von zuhause aus. Irgendwann habe ich gefragt, ob ich dafür einen Laptop bekommen kann. Ab da wurde die Organisation noch einfacher und flexibler.
Mit einem Jahr kamen die Kinder jeweils in die Kita, die in der Nähe des Instituts ist. Einer von uns bringt die Kinder hin und der andere holt sie ab. Dadurch kann einer zeitig anfangen und der andere kann dafür länger arbeiten.
Wissenschaftlerin: Für mich war der schnelle Wiedereinstieg genau richtig. Bei unserem zweiten Kind wurden mir die 14 Monate Elternzeit gegen Ende schon etwas lang. Mein Kopf war mit dieser Aufgabe nicht genug gefordert. Als ich an der Uni gearbeitet habe, hat meine Professorin mir den schnellen Wiedereinstieg vorgelebt. Ich hatte nie Bedenken, dass es nicht funktionieren könnte.
Wissenschaftler: Nein. Es war natürlich eine ungewohnte und neue Rolle für mich, aber Bedenken hatte ich nie.
Wissenschaftlerin: Wir möchten dafür explizit Werbung machen. Papa mit Baby allein zuhause ist wirklich empfehlenswert. Nach den ersten Wochen hat mein Mann festgestellt, dass er wirklich wenig Zeit für den Haushalt hat. Ich glaube, genau diese Erfahrung konnte er nur machen, weil er alleine mit dem Kind zuhause war. Das half unserer Partnerschaft und der gegenseitigen Wertschätzung enorm.
Wissenschaftler: Für mich war die alleinige Elternzeit auch unter dem Aspekt wichtig, dass ich so eine viel engere Bindung zum Kind aufbauen konnte. Meine Kompetenzen im Umgang mit unserem Kind wurden gestärkt und ich kann als gleichberechtigter Papa auftreten – nicht nur in der Elternzeit, sondern auch in der Zukunft.
Wissenschaftler: Das war eine schöne und sehr abwechslungsreiche Zeit. Ich hatte vorher keine festen Vorstellungen, was ich in der Elternzeit tun würde. Ich konnte in dieser Zeit viel lesen, weil die Kleine viel geschlafen hat. Wir waren viel spazieren. Man muss natürlich immer spontan auf die Bedürfnisse reagieren, die so ein kleines Kind eben hat. Ich habe mit meiner Tochter auch einen Eltern-Kind-Kurs besucht. Am Anfang war es komisch als einziger Mann, vor allem, weil der Kurs am Anfang sehr auf die Bedürfnisse von Müttern ausgelegt war. Da konnte ich nicht mitreden. Als die Kinder aber etwas älter wurden und sich mehr bewegen konnten, gab es auch andere Gesprächsthemen. Das hat dann Spaß gemacht. Die Elternzeit habe ich auch genutzt, um über meine Zukunft nachzudenken: Was mache ich, wenn ich zurückkomme? Wie geht es weiter mit der Dissertation?
Wissenschaftlerin: Ich habe anfangs mittags und nachmittags jeweils für den nächsten Tag Milch abgepumpt. Das Mutterschutzgesetz räumt jeder stillenden Mutter das Recht ein, während der Arbeitszeit zu stillen bzw. abzupumpen. Meine Tochter hat zu dem Zeitpunkt, als ich wieder anfing zu arbeiten, noch keinen Brei bekommen. Den Brei hat mein Mann nach und nach eingeführt, als unsere Tochter groß genug dafür war. Durch den Brei am Mittag hat sich das Stillen bzw. das Abpumpen dann reduziert.
Wissenschaftler: Für die heutige Zeit sind wir relativ junge Eltern, im Vergleich zu unseren eigenen Eltern jedoch spät. Für uns war klar, dass wir Karriere und Familienplanung gleichzeitig angehen. Wir entwickeln uns somit alle vier kontinuierlich weiter.
Wissenschaftlerin: Für mich war es nie eine Frage, ob Kinder und Karriereplanung zusammen funktioniert. Das war für mich klar. Vielleicht liegt das auch an unserer eigenen Erziehung. Unsere Eltern haben auch immer beide gearbeitet.
Wissenschaftlerin: Wir waren uns grundsätzlich einig. Ich wollte eigentlich noch früher Kinder. Mein Mann meinte, dass ich mindestens ein Jahr arbeiten sollte. Rückblickend war das auch richtig so. Wenn man Kind und Beruf unter einen Hut bringen möchte, dann ist es besser, man hat etwas Erfahrung und eine Vorstellung davon, wie das Arbeitsleben ist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich die Zeit als Mutter besser genießen konnte, als ich wusste, wo ich hinwill.
Wissenschaftler: Das war recht unterschiedlich. Viele junge Kollegen hatten mit Familiengründung noch nichts am Hut. Ein paar Kolleginnen fanden es super, dass ich die Elternzeit übernommen habe, andere waren skeptisch. Bei dem Eltern-Kind-Kurs war ich der einzige Mann. Dort habe ich bemerkt, dass viele Mütter Vorbehalte haben, wenn man als Mann allein sein Kind betreut.
Wissenschaftlerin: Ich habe oft zu hören bekommen: Wie konntest du dein Kind mit fünf Monaten alleine lassen? Ich habe mein Kind aber nicht alleine gelassen! Es war bei seinem Vater. Ich bin für eine Gleichberechtigung von Mutter und Vater. Das ist schöner für das Kind und lässt der Frau mehr Freiräume für die eigene Karriere. Leider gibt es aber auch Mütter, die den Vätern keinen Freiraum lassen und ihnen diese Aufgabe nicht zutrauen. Das ist schon traurig.
Wissenschaftler: Mit Sicherheit gibt es natürlich auch Männer, die sich voll auf ihre Karriere fokussieren und sich gar nicht so sehr in die Kinderbetreuung einbringen wollen. Oder Familien, in denen es finanziell gar nicht möglich ist. Das kann man alles gar nicht so pauschal sagen.
Wissenschaftlerin: Die Aufteilung „Einer bringt hin, der Andere holt ab“ gilt nach wie vor. Unsere Große ist jetzt in der ersten Klasse. Deshalb haben wir momentan zwei Anlaufstellen – Schule und Kindergarten. Das macht die Sache etwas zeitaufwendiger. Wir wünschen uns, dass die Kinder glücklich sind. Mit unserem Hort haben wir großes Glück. Grundschule und Hort sind perfekt aufeinander abgestimmt und es gibt feste Bezugspersonen. Die Nachmittagsbetreuung ist toll, wir werden kaum vermisst.
Wissenschaftler: Im Gegenteil, wenn wir zu früh zum Abholen kommen, ist das auch nicht gewünscht. Unsere Tochter ist sehr gerne dort. Wenn Sie doch mal früher abgeholt werden möchte, dann holen wir sie. Dann arbeiten wir eben am Abend oder am nächsten Tag weiter. Die Kinder sollen nicht das Gefühl haben, sie müssen in der Betreuung sein. Die Kleinere geht noch in den Ganztageskindergarten und kommt nächstes Jahr in die Schule. Wir nutzen die Betreuungszeiten nicht ganz aus. Spätestens um 17:30 Uhr wollen wir alle zusammen zuhause sein.
Wissenschaftlerin: Nicht in akuten Fällen, da die Großeltern selbst noch berufstätig sind und in einer anderen Stadt leben. Die Kinder sind aber regelmäßig in den Ferien bei Oma und Opa zu Besuch.
Wissenschaftler: Wenn eines der Kinder krank ist, bleibt einer von uns zuhause.
Wissenschaftlerin: Wir stimmen uns dann ab, bei wem es gerade besser passt. Oft ist das dann tatsächlich so, dass wir uns täglich abwechseln. Wir versuchen immer offen und flexibel für Lösungen zu bleiben. Diese Möglichkeit haben wir zum Glück hier am Institut. Wir sind selbst verantwortlich für unsere Arbeit und dafür, wann wir sie erledigen.
Wissenschaftlerin: Wer sich zuerst in den Kalender einträgt, der darf fahren (lacht). Der andere kümmert sich dann allein um die Kinder. Ich arbeite zurzeit an einem EU-Projekt. Das bedeutet, dass ich ungefähr drei bis fünf mehrtägige Reisen im Jahr habe. Dazu kommen noch ein paar Dienstreisen ohne Übernachtung. Es hält sich also in Grenzen.
Wissenschaftler: Ich habe momentan wenige Dienstreisen. Das kann sich natürlich je nach Projektlage ändern.
Wissenschaftlerin: Im Haushalt machen wir beide gleich viel. Wir haben allerdings Unterstützung durch eine Haushaltshilfe. Dazu hat mir meine erste Chefin geraten. Wir kaufen uns damit Zeit. Ohne diese Unterstützung haben wir den Samstag zum großen Teil für den Haushalt gebraucht. Dabei ist das Wochenende genau die freie Zeit, die wir mit unseren Kindern verbringen möchten. Wenn die Kinder älter werden, müssen wir ihnen natürlich klarmachen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass jemand zum Putzen kommt.
Wissenschaftlerin: Mein direkter Vorgesetzter lässt mir alle Freiheiten. Er sieht das ganz locker und vertraut mir. Ich bin selbst verantwortlich für meine Aufgaben.
Wissenschaftler: Das ist bei mir ähnlich. Auch wenn mal ein Kind krank ist, gibt es keine Diskussionen. Im Zweifel werden dringende Dinge von zuhause aus erledigt.
Wissenschaftlerin: Ein verständnisvoller Chef und planbare Aufgaben ermöglichen uns den Spagat zwischen Beruf und Familie. Sehr wichtig ist auch die Gleitzeit. Wir haben eine relativ schmale Kernzeit, von 9 bis 14:30 Uhr. Die meisten Meetings finden in diesem Zeitfenster statt. Das Eltern-Kind-Büro im Haus nutzen wir auch regelmäßig. Die Kinder fragen immer wieder, wann wir das mal wieder machen. Morgen hat zum Beispiel die Kita zu, da kommt die Kleine einfach mit.
Wissenschaftler: Ich hänge meine Familie nicht an die große Glocke und führe nicht viele Gespräche über meine Familie. Das ist für mich eine normale Sache.
Wissenschaftlerin: Mit mir suchen Kolleginnen schon immer mal das Gespräch. Ich möchte ihnen gern vorleben, dass Familie Spaß macht und mit Organisation bzw. Flexibilität alles zu lösen ist.
Wissenschaftlerin: Ich bin sehr zufrieden. Man sollte einfach mutige Pläne fassen, das Gespräch mit den Vorgesetzten suchen, Vorstellungen äußern und meist findet sich dann auch ein Weg. Schade finde ich, dass Heimarbeit hier eher negativ gesehen wird. Ich würde mir wünschen, einen Tag in der Woche von zuhause zu arbeiten. Aufgrund eines Mehrpersonenbüros arbeitet es sich zuhause ruhiger und fokussierter. Bei manchen Aufgaben komme ich da einfach schneller voran. Und durch die wegfallenden Fahrwege kann man trotz Arbeit den eigenen Akku wieder laden.
Wissenschaftler: Am meisten hilft uns, dass wir uns beide einig sind. Wir reden und planen viel miteinander und gehen Kompromisse ein.
Wissenschaftlerin: Wir beide sind ein super Team.
Wissenschaftler: Traut euch, sucht euch ein unterstützendes Umfeld und setzt eure Ziele um.
Wissenschaftlerin: Habt nicht so viele Bedenken, denn es finden sich immer Mittel und Wege.
Wissenschaftlerin: Es wäre für unsere zweite Tochter schön gewesen, wenn mein Mann auch mit ihr hätte allein zuhause bleiben können. Aber insgesamt sind wir vier glückliche Menschen und das ist unser Ziel.
Wissenschaftler: Ich wünsche mir, dass es so bleibt, wie es ist und dass die Kinder den Alltagsstress nicht mitbekommen.
Wissenschaftlerin: Da schließe ich mich an! Für unsere Gesellschaft wünsche ich mir, dass gemeinsame „Reise-Elternzeiten“, die mit Sicherheit toll sind und die Bindung zum Kind auch stärken, nicht an die große Glocke gehängt werden. Chefs und Kollegen würden sogenannte Väter-Monate mit Sicherheit positiver gegenüberstehen, wenn es sich nicht um einen Urlaub handelt, sondern der Vater tatsächlich zur Betreuung zuhause bleibt. In meinen Augen sollte auch das Gesetz in diese Richtung verändert werden. Bezahltes zuhause bleiben gern – aber immer nur einer!
Inspirator*innen
Individuelle Wege zur Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben
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